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Wenn die Prinzessin ausrastet

Wenn die Prinzessin ausrastet: Stress in der Pubertät Bild: pheebs-photocase.com Wenn die Prinzessin ausrastet: Stress in der Pubertät

In der Pubertät beginnt die Loslösung vom Elternhaus – auch für kleine Prinzessinnen. Aber weil die Tochter bislang immer so lieb, vernünftig und anschmiegsam war, rechnen viele Väter damit gar nicht. Und deshalb droht für sie eine ganze Welt einzustürzen, wenn die Prinzessin ausrastet.

In der Pubertät beginnt die Loslösung vom Elternhaus – auch für Prinzessinnen und Lieblingstöchter. Weswegen es ganz natürlich ist, dass es in der Beziehung zwischen Vater und Tochter im Laufe des Erwachsenwerdens immer wieder kriseln oder krachen wird. Aber weil die Tochter bislang immer so lieb, vernünftig und anschmiegsam war, rechnen viele Väter damit gar nicht. Und deshalb droht für sie eine ganze Welt einzustürzen, wenn die Prinzessin ausrastet.

Mädchen sind ein wenig früher dran mit ihrer Entwicklung als Jungs. Beim Eintritt in die Grundschule kann der Unterschied im Reifegrad bis zu zwei Jahren ausmachen, bis zur Pubertät verringert er sich langsam und erst mit etwa 18 Jahren ist kaum noch ein Unterschied auszumachen. Im Teenageralter wirken Mädchen somit oft sehr vernünftig und wissen, was sie wollen. Während Unterricht, Hausaufgaben und Büffeln für Jungs eher lästige Pflicht sind, hat man bei den jungen Damen oft den Eindruck, dass sie die Schule als das sehen, was sie sein soll: Die erste Stufe auf dem Weg zur Selbständigkeit und einem interessanten Berufsleben.

Mädchen ticken anders als Jungs


Die Prinzessin scheint sich zunächst reibungslos von Papis kleinem Liebling zur selbstbewussten jungen Frau zu entwickeln. Während bei Jungs deutlich zu merken ist, wie sie um ihre Identität ringen und wie schwierig es für sie ist, sich selbst zu finden, scheint die Pubertät bei Mädchen viel ruhiger zu verlaufen. Und dann, wenn man sich bereits so langsam zu fragen beginnt, ob man jetzt etwa schon eine erwachsene Tochter hat, passiert das, womit man gar nicht mehr gerechnet hat: Die Tochter begehrt gegen ihren Vater auf. Vielleicht äußerst sich dieser Konflikt nur in Gemecker und Knatschigkeit, möglicherweise aber auch in offenen Ausbrüchen mit wüsten Anwürfen.

Die plötzliche Unausstehlichkeit der Tochter trifft hart: Was die junge Frau ausspricht, ist wesentlich reflektierter und weit rationaler als das Aufbegehren von Jungs. Was man sich von seiner Tochter anhören muss, ist oft fundiert und man sollte es keineswegs als dummes Geschwätz abtun.

Eine solcher Vater-Tochter-Konflikt kann sich aus scheinbar nichtigsten Anlässen ergeben: Die Tochter kommt etwa ein wenig spät nachhause und der Vater fragt - eigentlich eher interessiert als vorwurfsvoll – wo das Fräulein Tochter denn so lange gewesen sei?

Das kann zum Auslöser einer wahren Explosion von Vorwürfen werden: „Wo ich war?! Was interessiert dich das? Du interessierst dich doch sonst kein Stück für mein Leben...“ Damit aber nicht genug: Wenn die junge Dame in Fahrt gerät, können alle kleinen und großen Fehler des Vaters thematisiert werden: Nichtige wie Bartstoppeln im Waschbecken genauso wie ernst zu nehmende: etwa, dass sie beim gemeinsamen Essen nie zu Wort kommt, weil der Papi immer mit dem Sohnemann über Männerdinge redet.

Daraus kann sich dann ein ausgewachsener hysterischer Anfall mit Geschrei, Tränen, sich überschlagender Stimme und allem, was sonst noch dazu gehört,entwickeln. Das Ende der Vorstellung besteht in einem plötzlichen Abbruch, der Flucht ins eigene Zimmer und knallende Türen. Das Üble daran: Man wird nach allen Regeln der Kunst zusammen gebrüllt, bekommt jedoch keine Chance, sich zu rechtfertigen. Das ist der Punkt, wo man dann selbst am liebsten aus der Haut fahren möchte.

Trotzdem sollte man als Vater gelassen reagieren, nicht zurück brüllen oder sich gehen lassen. Denn die Tochter ist noch lange nicht wirklich erwachsen. Sie sollte, auch wenn sie weiß, dass sie sich „unmöglich“ aufgeführt hat, das Gefühl haben, zuhause weiterhin geborgen zu sein. Das ist das Privileg von Kindern: Sie dürfen auch mit Geschrei auf sich aufmerksam machen, müssen noch nicht alle Regeln der Diplomatie beachten. Auch vor dem Gesetz sind sie schließlich noch nicht voll für sich und ihre Taten verantwortlich. Und viele 17- oder 18-Jährige sind immer wieder einmal gerne Kind – und dagegen ist auch nichts einzuwenden.

Die alltägliche Zurücksetzung der Töchter


Mit neun oder zehn begleiten Mädchen ihre Papis durchaus noch beim Reviergang ins Jagdrevier, auf den Fussballplatz, beim Hundespaziergang oder schauen beim Autoreparieren zu – so wie Söhne auch. Dabei entstehen wichtige Gespräche. Dann kommen jedoch andere Interessen: Über Eyeliner, Lippenstift und angesagte Girlgroups kann man mit Papi halt nicht reden. Oft noch nicht einmal über Pferde. Über Dinge, die Jungs interessieren jedoch schon, und so passiert es leicht, dass die Tochter sich gegenüber dem etwas kleineren oder größeren Bruder vernachlässigt fühlt.

Dazu kommt, dass Mädchen in der Pubertät scheinbar „pflegeleichter“ sind: offensichtliche Schul- und andere Probleme treten bei Jungs öfter auf, als bei Mädchen. Und die sind dann eben beim Mittagessen Thema. Die Tochter muss zurückstecken, wenn es beim Sohn brennt. Was problemlos läuft, wie der Schultag der Tochter, ist normal und wird weniger beachtet. Und genau das empfinden Mädchen als Vernachlässigung – sie wissen ja nicht, wie zufrieden man eigentlich mit ihnen ist. Dieses Gefühl kann sich über Jahre aufbauen und zu Szenen wie der oben beschriebenen führen.

In Ruhe lassen und Aufmerksamkeit geben


„Lass mich einfach in Ruhe!“ bekommt der Vater nach lautstarker Auseinandersetzung oft zu hören. Je nach dramatischer Veranlagung mit oder ohne Türenknallen. Nach einer Weile ist sie äußerlich wieder normal und ansprechbar. Das kann recht schnell gehen, heißt jedoch keineswegs, dass alles in Butter wäre.

Und jetzt? Eine „Aussprache“? Rechtfertigungen? Da fühlt sie sich oft durch väterliches Gesülze zugetextet wird. Aber Sie werden nicht umhinkommen, sich in den Dingen zu bessern, die Ihnen ihre Tochter vorwirft. Vor allem müssen Sie Ihrer Tochter mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen. Stecken Sie zurück, auch wenn die Anwürfe bitter waren. Gerade jetzt ist es wichtig, für die Tochter da zu sein. Auch wenn sie unmöglich erscheint, ist sie kein Angreifer, denn man abwehren muss, sondern sie beklagt sich darüber, dass man sie nicht beachtet! Geben Sie ihr die Aufmerksamkeit, die sie haben möchte und braucht. Denn wahrscheinlich ist sie in den letzten Jahren zu kurz gekommen – eben weil Mädchen in diesem Alter erwachsener wirken als sie es sind.

Niemand ist fehlerlos und Jugendliche beobachten gut, merken durchaus, wenn jemand selbst den Ansprüchen nicht gerecht wird, die er an andere stellt. Auch daher ist es oft berechtigte Kritik, mit der man als Vater jetzt konfrontiert wird. Außerdem geht es ums Abnabeln und nicht um einen argumentativen Kampf ums Rechthaben. Die Freiheit, sich im Argumentieren zu üben und zu reiben, brauchen die Jugendlichen.

Zeigen Sie ihrer Tochter vor allem, dass Sie sie ernst nehmen. Ihr eloquent und überlegen zu beweisen, dass mit Ihnen alles in bester Ordnung und sie lediglich ein dummes Görchen ist, wäre das Verkehrteste, was Sie tun könnten!

Geben Sie ruhig Fehler zu, die Ihre Tochter zu Recht kritisiert. Fairness kommt gut an. Schließlich wirken Eltern vor allem über ihre Vorbildfunktion und daher spielt es auch eine Rolle, wie Sie mit einer solchen Situation umgehen. Auf keinen Fall sollten sie schmollen! Auch wenn ihre Tochter kurz nach heftigsten Vorwürfen zu Ihnen kommt und etwas will, sollten Sie vorbehaltlos auf sie eingehen und ihr zeigen, dass sie für sie wichtig ist. Und denken Sie ruhig auch über das nach, was Ihnen an den Kopf geworfen wurde, auch wenn es verteufelt weh getan hat. Gerade dann wird nämlich etwas dran sein.

Ausziehen von Zuhause?


Das „Allheilmittel“ für problematische Eltern-Kind-Beziehungen scheint der Auszug von Zuhause zu sein. Es ist in der Tat erstaunlich, wie gut man auf einmal wieder miteinander auskommt, wenn man nicht mehr tagtäglich aufeinander sitzt. Aber in einem solchen relativ frühen Stadium ist das Ausziehen weder immer sinnvoll noch nötig. Der Mensch braucht Gemeinschaft und die gibt es in der Familie, auch und gerade dann, wenn dort Konflikte zu lösen sind. Auf keinen Fall sollten sie ihre Tochter hinauswerfen. Eltern müssen für ihre Kinder im Prinzip so lange da sein, bis diese wirklich flügge sind und selbst entscheiden, dass sie das Nest verlassen wollen.

Die plötzliche Unausstehlichkeit Ihrer Tochter ist keine Katastrophe. Vielmehr findet ein ganz natürlicher Abnabelungsprozess statt: Sie will jetzt nicht mehr Papis Prinzessin sein, sondern ein eigenständiger Mensch. Das mag für den Vater traurig sein, jedoch sollten Sie den (scheinbaren) Verlust Ihres kleinen Mädchens positiv sehen: Sie bekommen dafür eine eigenständige, junge Frau als Tochter, auf die sie stolz sein können!

Letzte Änderung amSonntag, 21 September 2014 11:14
Ralf Ruhl

Ralf Ruhl arbeitet als selbstständiger Journalist und Redakteur. Er lebt mit seiner Familie in Göttingen. Seine Kinder haben die Pubertät hinter sich. Und er auch. Glaubt er...

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