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Wenn Ballerspiele für Jugendliche gefährlich werden

EGO-Shooter: Wenn Ballerspiele für Jugendliche gefährlich werden Foto: © Chepko Danil - Fotolia.com EGO-Shooter: Wenn Ballerspiele für Jugendliche gefährlich werden

Sie sind harmlos, verhelfen Jugendlichen gar zu Konzentration, Kooperation und Kreativität, meinen die einen. Die anderen verteufeln Computerspiele als Aggressionsfaktor Nummer Eins, der die Kinder verrohen lässt. Wann sind Ballerspiele eine Gefahr?

Ballerspiele – militärisches Training?

Seit vier Stunden sitzt Tobi in seinem Zimmer und es klingen nur Peng- und Zischgeräusche nach draußen. Als seine Mutter Katharina ihn zum Essen ruft, tritt er wütend gegen die Tür: „Ich war kurz vor dem nächsten Level!“ Als Momentaufnahme bedeutet diese Reaktion nicht, dass Tobi sein Aggressionspotential durch sein Spielen mit Ego-Shootern wie Counter-Strike aufbaut. Aber auf alle Fälle ist es Zeit für ein Gespräch in der Familie über Respekt und den Umgang mit Ballerspielen.

Gerade Ego-Shooter werden sowohl von der US-Army als auch von der Hisbollah zu militärischen Trainingszwecken eingesetzt. Schnelle Reaktion in vorgefundenen Kampfsituationen soll geübt werden. Insbesondere Spielehersteller und -autoren sehen hier kein Problem, im Gegenteil: Alexander T. Müller von Turtle Entertainment betont immer wieder, dass Jugendliche ja einen Teil der Spiele selbst programmierten. Daher regten die Spiele zu Kreativität an und zur Kommunikation der Jugendlichen untereinander. Denn schließlich geht es in den meisten Games darum, dass verschiedene Clans mit verschiedenen Figuren in einem Wettkampf gegeneinander antreten.

„Eltern sollten Interesse zeigen“

Mit der Medienpädagogin Sabine Eder (Blickwechsel e.V.) sprach Ralf Ruhl
Wann ist Spielen an Computer und Konsole problematisch, wann sollten Eltern eingreifen?

Wenn Kindern zu Aggressionen neigen, da sie z.B. um Abendbrot zu essen, ein Spiel unterbrechen sollen oder nervös werden, wenn sie einmal nicht spielen dürfen, dann stehen die Alarmzeichen auf rot. Wenn sie beginnen Freundschaften zu vernachlässigen oder die Erledigung von Schulaufgaben oder anderen Verantwortlichkeiten ignorieren, sollten Eltern aktiv werden. Gespräche mit dem Kind, das Aufstellen oder Überdenken von Regeln, das Besprechen weitere Schritte sind unerlässlich. Eltern müssen ihre Kinder gegebenenfalls unterstützen, den Ausknopf zu finden und wieder Spaß an Alternativen zu haben.

Wie sollte dieses Eingreifen aussehen?

Ein Nachdenken über Sinn und Unsinn von Mediennutzung, die Förderung von Medienkompetenz, eine kontinuierliche Medienerziehung muss zum Familienalltag gehören. Eltern sollten stets versuchen im Blick zu behalten, was ihre Kinder am Computer oder im Internet treiben, welche Inhalte genutzt werden, welche Onlinekontakte bestehen, welche Games gezockt werden usw. Hier sollten sie von Anfang an ein Vertrauensverhältnis aufbauen, im Gespräch bleiben, Regeln vereinbaren und vor allem Interesse zeigen, denn Kontrollen sind schwer durchsetzbar und Verbote sind selten wirksam oder sinnvoll. Auch  weil Jugendliche zumeist mit mobilen Geräten wie Tablets oder Smartphones unterwegs sind. Diese nutzen sie nicht nur für spannende Unterhaltung und fürs Spielen, sondern auch zur Kommunikation und für Bildungszwecke. Eltern sollten unbedingt darauf achten, dass Kinder altersgerechte Medien nutzen. Die Altersfreigaben auf der Packung bieten hierfür einen wichtigen Anhaltspunkt. Weitere Informationen zu den Spielen finden sich im Internet, in Foren, auf denen über die Games diskutiert wird.

Infos zu Computerspielen mit Lerncharakter:
www.spieleratgeber-nrw.de
www.feibel.de

www.spielbar.de

Für Pädagogen
www.sin-net.de

Rat für Eltern
www.klicksafe.de
www.medien-sicher.de
www.sicher-online-gehen.de
www.blickwechsel.de

Gewalt im Computerspiel und in der Realität

Demgegenüber konnte die Psychologin Ingrid Möller an der Uni Potsdam in einer Studie nachweisen, dass ein direkter Zusammenhang zwischen der Aggressionsbereitschaft des Jugendlichen und intensiver Beschäftigung mit Gewaltspielen besteht. Denn in diesen Spielen werden gewalttätige Aktionen belohnt – mit besonderen Sounds, wenn Gegner vernichtet wurden. Langfristig, so meint sie, sinke dadurch die Hemmschwelle für aggressives Verhalten.

Die Kids selbst meinen oft, sie könnten recht gut zwischen der Gewalt in Spielen und in der Realität unterscheiden. Das ist generell richtig, schließlich schauen wir Eltern uns auch Sonntag abends den Tatort an, ohne gleich zum Serienkiller zu mutieren. Problematisch wird es jedoch, wenn Freundschaften vernachlässigt werden, wenn es neben der Beschäftigung mit Ballerspielen keine weiteren Interessen vorhanden sind, wenn nach dem Spielen tatsächlich eine erhöhte Aggressionsbereitschaft zu erkennen ist. „Wenn also die Kinder oder Jugendlichen die Kontrolle verlieren und das Maß an Beschäftigung mit Computerspielen zu hoch ist“, sei ein Einschreiten seitens der Eltern nötig, so die Medienpädagogin Sabine Eder.

Elterlicher Spielversuch

Im Gespräch mit Tobi machte ihm seine Mutter klar, dass sie es nicht dulden würde, wenn er nach dem Spielen mit ihr auf diese Weise spreche. Und warum es wichtig sei, die Altersangaben auf den Packungen zu beachten. Denn hier geben Experten an, ab welchem Alter ein Spiel nicht schädlich für den Jugendlichen ist. Und selbstverständlich fragte sie ihn, was er denn so toll an diesen Spielen fände. „Die Action“, war die erste Antwort. Und das Miteinander im Kampf gegen andere. Besonders spannend sei es auch, verschiedene Figuren auszuprobieren, die sich im Laufe des Spiels neue Fähigkeiten und Kräfte aneignen.

Etwas schweren Herzens ließ Katharina sich von ihm ein Computerspiel zeigen. Und konnte selbst eine gewisse Faszination nicht verhehlen. „Die Grafik ist fantastisch. Da entstehen Welten, die so klar anzuschauen sind, dass man meint, man ist wirklich da.“ Dass ihr Sohn es toll findet herauszubekommen, wie fiese Monster gekillt werden, kann sie nachvollziehen. „Das hat Spannung, das geht weiter, man bekommt Bestätigung.“ Allerdings hat sie auch mit Schrecken festgestellt, was für ein Zeitfresser diese Spiele sind: „Zwei Stunden sind ja wirklich schnell vorbei.“ Daher sprach sie mit Tobi auch über eine Zeitbegrenzung. Dass er nicht sofort aufhören will, wenn er mitten in einer Aktion steckt, kann sie verstehen. „Aber die ist in der Regel auch innerhalb von zehn Minuten zu Ende zu bringen.“ Also wird sie schlichtweg etwas früher zum Essen rufen.

Das Beste an ihrem „Spielversuch“ war jedoch, dass sie mit Tobi in Kontakt gekommen ist. Und zwar zu einem Thema, das ihm total wichtig ist, ihr jedoch bislang verschlossen war. „Er war ehrlich zu mir und ich zu ihm“, sagt sie. „Deshalb ist das Vertrauen wieder hergestellt.“

Letzte Änderung amDienstag, 23 September 2014 12:09
Ralf Ruhl

Ralf Ruhl arbeitet als selbstständiger Journalist und Redakteur. Er lebt mit seiner Familie in Göttingen. Seine Kinder haben die Pubertät hinter sich. Und er auch. Glaubt er...

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