Spannenlanger Hansel, nudeldicke Dirn- Entwicklungsschwankungen in der Pubertät
- geschrieben von Helga Wissing
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Spannenlanger Hansel, nudeldicke Dirn, das alte deutsche Volkslied veranschaulicht sehr schön die Entwicklungsschwankungen in der Pubertät. Tatsächlich, so haben Wissenschaftler herausgefunden, kann der Entwicklungsstand von Gleichaltrigen in dieser Zeit um bis zu sechs Jahre variieren.
Derartige Unterschiede in der Reifung können dazu führen, dass sich in derselben Schulklasse beispielsweise ein Mädchen noch am Beginn der Pubertät befindet, während eine andere Schulkameradin körperlich bereits voll entwickelt ist.
Entwicklungsschwankungen in der Pubertät
Für die Jugendlichen selbst sind solche Unterschiede häufig Grund zu großer Verunsicherung. Es stellen sich Fragen wie: „Bin ich normal? – Ich hab als einziges Mädchen in der Klasse meine Regel!“ oder „Warum haben alle Jungen schon einen kleinen Bartwuchs, nur ich nicht?“ Hier kann helfen, im behutsamen Gespräch die Bedenken zu zerstreuen, und vielleicht am Beispiel der eigenen Pubertät auf ähnliche Entwicklungsschwankungen hinzuweisen.
Es gibt übrigens noch ein weiteres Phänomen. Mädchen sind bereits bei der Geburt etwas reifer als Jungen und haben von Anfang an die Tendenz, sich rascher zu entwickeln. Das führt dazu, dass Mädchen durchschnittlich anderthalb Jahre früher mit der Pubertät beginnen als gleichaltrige Jungen, und sie dementsprechend auch früher beenden. Im Normalfall durchlaufen Mädchen die Pubertät zwischen dem zehnten und 18. Lebensjahr, Jungen zwischen dem zwölften und 20. Lebensjahr.
Hormonelle Veränderungen
Die ersten hormonellen Veränderungen beim gesunden, gut ernährten Kind beginnen häufig bereits ab einem Alter von acht oder neun Jahren. Bei den Jungen ist in erster Linie die Bildung des Hormons Testosteron verantwortlich, bei den Mädchen das Östrogen. Der Beginn der Pubertät geht häufig mit einem Wachstumsschub einher, außerdem bilden sich Scham- und Achselhaare. Beim Mädchen entwickelt sich die Brust und das Becken wird breiter
Erste Regelblutung
Die meisten Mädchen erleben ihre erste Regelblutung mit zwölf bis 13 Jahren. Es ist aber durchaus möglich, dass die Periode bereits mit zehn oder auch erst mit 15 Jahren erstmals einsetzt. Die Blutung kann bezüglich Dauer und Stärke erheblich variieren. Für gewöhnlich dauert es bis zu drei Jahre, bevor sich ein regelmäßiger Zyklus eingespielt hat.
Das erste äußere Anzeichen für den Beginn der Pubertät beim Jungen ist das Wachstum der Hoden. Das geschieht für gewöhnlich im Alter zwischen elf und zwölf Jahren. Der Penis wird größer, es bilden sich Körperbehaarung und Oberlippenflaum. Bedingt durch das Wachsen von Kehlkopf und Stimmbändern, setzt der Stimmbruch ein.
Drei Phasen der Pubertät
Die Pubertät lässt sich grob in drei Phasen einteilen, wobei es durchaus Überschneidungen gibt.
1Erste Phase zwischen zehn bis zwölf Jahren:
Körperliche Veränderungen
- Produktion von Sexualhormonen
- Körper- und Schambehaarung
- Stimmbruch
- erste Regelblutung
- Wachstumsschübe
Verhalten
- Wechselnde Stimmungen
- Distanzierung von den Eltern
- Aggressivität
- Heimlichkeiten und Lügen
2Zweite Phase zwischen 13 bis 15 Jahren
Körperliche Veränderungen
- plötzlich einsetzende Wachstumsschübe
- Unstimmige Proportionen
- Pickel und Mitesser durch die Überproduktion der Talgdrüsen
- Erster Samenerguss
Verhalten
- Gereiztheit
- Selbstwertprobleme
- Ausleben typischer Rollenmuster (z.B. Schminken beim Mädchen, Macho-Gehabe beim Jungen)
- Erforschung der eigenen Sexualität
3Dritte Phase zwischen 16 bis 18 Jahren
Körperliche Veränderungen
- werden jetzt eher von außen selbst gesteuert. Zum Beispiel im positiven Fall durch Sport und Fitness, im negativen durch den Beginn von Essstörungen (Mager- oder Fettsucht)
Verhalten
- Loslösung vom Elternhaus
- Neuorientierung
- Selbstständigkeit
- Planen der eigenen Zukunft
- Suche nach dem Sinn des Lebens
Jedes Kind, jeder Jugendliche ist in seiner Entwicklung einmalig und individuell. Erst wenn wirklich auffällige körperliche Verzögerungen auftreten, empfiehlt sich das Gespräch mit einem Kinder- bzw. Jugendarzt oder Gynäkologen, beispielsweise bei ausbleibender Menstruation. Ansonsten gilt: Abwarten und das Kind in dieser verwirrenden Zeit, die ohnehin oft mit Selbstzweifeln und mangelndem Selbstwertgefühl einhergeht, verständnisvoll begleiten.
Helga Wissing
Helga Wissing ist freie Journalistin und lebt mit ihren zwei Töchtern in einer Kleinstadt in Nordrhein Westfalen. Mit einer 16-Jährigen unter einem Dach weiß sie genau, wovon sie schreibt. Wechseljahre und Pubertät prallen aufeinander. Ihr Tipp: Ruhe bewahren und trotzdem lieb haben.
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