Pädagogen

Verliebt in den Teamer – Wie sollten sich Jugendleiter ihren Schützlingen gegenüber verhalten?

Liebe im Spiel! Wie soll sich ein Jugendleiter verhalten? Foto: © ViewApart-fotolia.com Liebe im Spiel! Wie soll sich ein Jugendleiter verhalten?

2010 stand der 22-jährige Jugendleiter Alexander L. wegen Vergewaltigung eines zwölfjährigen Mädchens vor Gericht. Obwohl sich herausstellte, dass das Mädchen aktiv mitgemacht hatte, musste der Angeklagte über drei Jahre hinter Gitter. Warum Jugendleiter in Sachen Sexualität mit und unter Gruppenmitgliedern eine schwierige Rolle haben und was unbedingt als Teamer beachtet werden muss, erläutern wir dir hier.

Sexualstrafrecht verbietet sexuelle Handlungen mit unter 16jährigen

Sexualität und sexuelle Aufklärung sind für Jugendliche ganz heiße Themen – besonders auf Jugendfreizeiten kommen sich Teenager schnell näher. Nicht selten wird auch der Jugendleiter zum Objekt der Begierde. Dieser sollte sich allerdings zurückhalten. Nicht nur prallen die Anschauungen der Eltern, unterschiedliche Entwicklungsstände der Jugendlichen oder eigene Erwartungen aufeinander – auch das deutsche Sexualstrafrecht verbietet eine sexuelle Annäherung.

Ziel des Gesetzgebers ist es, Kindern und Jugendlichen eine freie und ungestörte Entwicklung ihrer Sexualität zu ermöglichen. Zu der Aufsichtspflicht als Jugendleiter gehört es daher auch, die Schützlinge entsprechend vor vorzeitigen und gefährlichen sexuellen Erlebnissen zu bewahren. Im Gesetz ist dabei immer von „sexuellen Handlungen“ die Rede – dazu zählen Zungenkuss, Entblößen der Geschlechtsteile, Petting, gegenseitige oder einem Dritten gezeigte Selbstbefriedigung und Geschlechtsverkehr.

Grundsätzlich gilt: Sexuelle Handlungen mit Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren sind strafbar! „Ein sensibles Thema“, weiß auch der Sexual- und Jugendpädagoge Theodor Brocks. Jugendleiter sollten daher ihren Schützlingen „freundlich aber bestimmt“ klarmachen, dass eine solche Beziehung nicht möglich ist.

Vor Gericht wird natürlich jeder Fall einzeln bewertet. Unterschieden wird zwischen verschiedenen Altersstufen, die den Entwicklungsstand der Minderjährigen berücksichtigen. Entscheidend sind auch die jeweilige Situation und das Alter des „Täters“.

Unter 14 Jahren – vollständiger strafrechtlicher Schutz

Nach § 176 StGB ist jede sexuelle Handlung mit Kindern unter 14 Jahren verboten. Schon allein der Versuch ist strafbar – egal ob das Kind oder das Kind und seine Eltern einverstanden waren. Außerdem dürfen vor einem Kind keine sexuellen Handlungen vorgenommen oder pornografische Bilder oder Videos gezeigt werden. Bei Verstößen drohen bis zu fünf Jahre Haft!

„Doktorspiele“ unter Gleichaltrigen unter 14 Jahren sind hingegen erlaubt, sofern kein Zwang im Spiel ist. Als Teamleiter verletzt man seine Aufsichtspflicht also nicht, wenn man solches „Ausprobieren“ duldet.

Zwischen 14 und 16 Jahren – keine Gelegenheit schaffen

Sexuelle Handlungen von Erwachsenen mit Jugendlichen unter 16 Jahren stehen ebenfalls unter Strafe. Allerdings wird den Teenagern schon eine gewisse Eigenverantwortung eingeräumt: Ihr Verhalten kann sich also später vor Gericht strafmildernd auswirken. Generell wird die sexuelle Tätigkeit nach dem Alter und nach der Vorerfahrung des/der Minderjährigen beurteilt: Beispielsweise ist ein Zungenkuss von zwei 15jährigen – also nah an der Altersgrenze zu 16 – in der Regel nicht mehr strafbar.

Weiterhin wichtig: Gelegenheit macht Liebe – und schon das „Gewähren“ und „Verschaffen von Möglichkeiten“ (§ 180 StGB) für unter 16jährige ist verboten. Indem Jugendleiter etwa versuchen, Schützlinge zu „verkuppeln“ oder gemischte Zelte oder Zimmer zulassen, machen sie sich strafbar. Auch „Wegsehen“ ist tabu: Wenn beispielsweise zwei unter 16jährige beim Liebesspiel erwischt werden und der Jugendleiter nicht eingreift, kann dieser rechtlich belangt werden.

Weiterführende Informationen

Eine zusätzliche Übersicht findet ihr auf der Seite des Landesverbandes donum vitae NRW e.V.In seiner Broschüre „§ex und Recht - Dinge die du wissen solltest“ erläutert der christliche Verein bürgerlichen Rechts Begrifflichkeiten und führt durch den Gesetzes-Dschungel. 

 

Zwischen 16 und 18 Jahren – keine Machtstellung ausnutzen

Intime Beziehungen zu Jugendlichen ab 16 Jahren sind generell legal – außer wenn dabei ein Vertrauens- und Abhängigkeitsverhältnis ausgenutzt wird (§ 174 StGB). Und ein solches ergibt sich aus der Rolle als Jugendleiter. Anbändeln mit einem Gruppenmitglied unter 18 Jahren steht daher immer unter der Frage: Verspricht sich das Gegenüber vielleicht Vorteile davon, oder missbraucht man selbst womöglich seine Machtstellung gegenüber dem/der Schutzbefohlenen? Strafbar macht sich ein Jugendleiter etwa, wenn er der Person versprichst, dass sie vom Putzdienst befreit ist oder nicht länger beim Zeltaufbau mithelfen braucht, wenn sie im Gegenzug mit ihm schläft.

Missbrauchsvorwürfe und Gruppenspannungen drohen

„Liebesbeziehungen zwischen Erwachsenen und Jugendlichen sind nie gleichberechtigt – auch wenn die Jugendlichen über 16 Jahre alt sind“, betont Brocks. Eine Abhängigkeit oder ein Machtmissbrauch können leicht unterstellt werden – und das ist im Nachhinein schnell geschehen, etwa aufgrund von Fehldeutungen oder aus Eifersucht. Eine generelle Zurückhaltung im Umgang mit den Teilnehmern ist daher ratsam.

Auch aus rein pädagogischer Sicht sind laut Brocks intime Beziehungen zwischen Teamern und Gruppenmitgliedern über 16 Jahren problematisch. Der Sozialpädagoge warnt vor empfindlichen Störungen des Gruppengefüges: „Der/die Jugendliche ist dann kein Schutzbefohlener mehr, sondern ein Beziehungspartner auf sexueller Ebene. Das kann zu erheblichen Spannungen innerhalb der Gruppe führen.“ Schließlich stünde man immer unter Beobachtung. Und leicht könne der/die Auserwählte unter den anderen Mitgliedern als bevorzugt gelten. „Natürlich kommt es vor, dass sich eine 17Jährige Teilnehmerin und ein 18jähriger Gruppenleiter ineinander verlieben“, schränkt Brocks ein. Allerdings sollten beide in diesem Fall „die Beziehung besser außerhalb des Arbeitskontexts weiterführen“.

Sexuelle Aufklärung in Maßen

Ähnlich einschränkend sieht es beim Thema Sexualerziehung aus. Die ist nämlich in erster Linie Elternsache. Dementsprechend sollte Sexualkunde von Teamern nicht gerade zur Tagesordnung gemacht werden. Wenn allerdings konkrete Fragen aufkommen, kann der Teamer natürlich nicht einfach schweigen. „Aufklärung ist dann richtig und wichtig“, so Brocks. Vor einem Gespräch sollte man sich aber immer überlegen: „Passt das Setting?“ Private Eins-zu-eins-Situationen eigneten sich hier eher als Gruppengespräche: „Der eine möchte es wissen, ein anderer wieder nicht – darauf sollte Rücksicht genommen werden!“, mahnt der Coach für Jugend- und Sexualfragen.

Bevor man als Gruppenleiter Antworten gibt, sollte einem auf jeden Fall das Einverständnis der Eltern vorliegen – am besten schon im Vorfeld der Freizeit. Bei komplexeren Fragen unbedingt bei Experten Rat suchen – etwa bei einem Aids-Berater oder einem Arzt. Auch die „Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“ gibt dir Themenhefte und Infobroschüren als Hilfsmittel an die Hand. Und wichtig ist es immer zu betonen, dass die Jugendlichen diese Themen unbedingt auch mit ihren Eltern besprechen sollten.

Fazit: Als Gruppenleiter Vorbild sein

Gerade weil es so viele Fallstricke in der Rechtssprechung gibt, sollten sich Jugendleiter im Umgang mit ihren Gruppenmitgliedern zurückhalten – und eingreifen, wenn sie selbst unter 16jährige auf frischer „Tat“ ertappen. Jede sexuelle Handlung mit Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren ist gesetzlich verboten. Und auch darüber hinaus sieht sich ein Teamer schnell dem Vorwurf des Machtmissbrauchs gegenüber – ganz zu schweigen von möglichen Störungen der Gruppendynamik. Also Vorsicht bei übertriebenen Umarmungen, „Auf-dem-Schoß-sitzen“, Streicheln oder sonstigen Handlungen, die leicht als sexuelle ausgelegt werden könnten.

Ist jemand unsicher in seiner Rolle als Teamer oder beobachtet dies bei Kolleginnen oder Kollegen, sollte er laut Brocks sofort einschreiten und die Beobachtung offen machen: „Das ist keine Denunzierung! Leider verbergen sich auch Pädophile unter Gruppenleiterinnen und Gruppenleitern, die das Verhältnis zwischen den Kindern und Jugendlichen ausnutzen und diese damit schädigen und traumatisieren.“

Ein vorbildliches Verhalten bilde daher die Grundlage für ein gutes Verhältnis zwischen Teamer und Teilnehmer. „Eine Gruppenleiterin oder ein Gruppenleiter hat in seiner Rolle und als Erwachsener immer die Verantwortung gegenüber den Kindern und Jugendlichen. Letztere wünschen sich im Umgang mit Sexualität Klarheit und Grenzen, die von der Gruppenleiterin bzw. dem Gruppenleiter gewahrt werden müssen. Erst dann kann auch Vertrauen entstehen“, weiß Brocks.

Letzte Änderung amDonnerstag, 13 August 2015 20:05
Joschka Riedel

Joschka Riedel ist Online-Redakteur und -Marketer im kidsgo-Verlag. Über seine eigene Pubertät kann der studierte Geschichts- und Religionswissenschaftler rückblickend nur schmunzeln. Als Mitglied einer Großfamilie hat er es noch immer regelmäßig mit Pubertierenden zu tun.

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