Die Rolle des Vaters in der Pubertät
- geschrieben von Helga Wissing
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Wie wichtig ist der Vater für Jugendliche in der Pubertät? Kann eine Mutter die Rolle des Vaters übernehmen, schafft sie das? Und welchen Unterscheid macht es, ob man Vater eines Mädchens oder Jungens ist?
Aufgabenverteilung unter Eltern
„Ich bin mit der Erziehung völlig überfordert“, diesen Stoßseufzer kann man gerade von Müttern pubertierender Kinder häufig hören. Auch bei Eltern, die nicht alleinerziehend sind, ist es häufig so, dass es eine klassische Rollenverteilung gibt. Einer arbeitet in Vollzeit und einer ist hauptsächlich für Haushalt und Familie zuständig. In vielen Fällen ist das auch heute noch die Frau. Das bestätigt Familienforscher Wassilios Fthenakis, der in einer von ihm initiierten Väterstudie herausgefunden hat, dass sich die meisten Paare zunächst eine gleichmäßige Aufgabenverteilung im Haushalt und der Kindererziehung vornehmen. Die Realität sieht anders aus. Der Großteil der Aufgaben werde so verteilt, dass entweder die Frau oder der Mann sie übernimmt. Je unterschiedlicher sie ausfalle, umso größer sei die Unzufriedenheit mit der Aufgabenteilung. Das Fazit des Wissenschaftlers: „Die reale Aufgabenteilung entspricht bei Paaren ohne Kinder noch weitgehend der idealen Aufteilung. Wenn das Paar Kinder hat, tritt eine Traditionalisierung ein. Die Frau kümmert sich vor allem um Haushalt und Kinderbetreuung, während der Mann für das Geldverdienen zuständig ist.“
Der abwesende Vater
Die meisten Kinder hätten ohnehin nur zu einem Elternteil ein besonders ausgeprägtes Verhältnis, weiß der Familientherapeut Jesper Juul. Das habe aber nichts mit Liebe oder dem täglichen Miteinander zu tun. Dies bedeute nur, dass es dieser Elternteil sei, auf den das Kind seine Existenz maßgeblich ausrichte: „Steht dieser Elternteil nicht zur Verfügung, muss es allein zurecht kommen.“ Das gelte vor allem für die Pubertät, wenn beispielsweise ein Sohn nicht von seiner Mutter lernen könne, was es heißt, ein Mann zu sein: „Auch die liebevollste Mutter kann einen abwesenden Vater nicht ersetzen.“ Gleichzeitig betont der Experte und Buchautor aber auch, dass es zahlreiche Familien gäbe, in denen sich Vater und Sohn zwar täglich sehen, die Mutter sich aber dennoch um sämtliche familiären Dinge kümmere und darin nur symbolisch von ihrem Mann unterstützt würde. Der Begriff der „abwesenden Väter“, so Jesper Juul, ziehe sich durch die europäische Geschichte. Doch gleichzeitig beschwichtigt er: „Die Kinder und Jugendlichen von heute haben glücklicherweise sehr viel größere Möglichkeiten, ihre Frustration zum Ausdruck zu bringen und ihre eigenen Wege zu finden, als dies noch vor einer Generation möglich war.“ Und noch etwas betont der Experte: „Auch von schlechten Vorbildern kann man viel lernen.“
Spiegel Online: Jungen die ohne Vater aufwachsen brauchen die Konfrontation
www.spiegel.de/spiegelwissen/a-693970.html
Der Vater in der Rolle des Vorbildes
Das bestätigt die Studie von Wassilios Fthenakis, der sagt: „Väter, die mit ihren eigenen Vätern positive Erfahrungen gemacht haben, nehmen sich ihren Vater zum Vorbild: Sie verhalten sich ähnlich wie ihr Vater. Väter, die mit ihren eigenen Vätern schlechte Erfahrungen gemacht haben, kompensieren dies, indem sie sich bemühen, ihrem Kind ein besonders liebevoller und weniger strenger Vater zu sein.
Jugendliche, so hat er herausgefunden, würden bereits vor der Pubertät beginnen, darüber nachzudenken, wie ein guter Vater sein soll: „Elternschaftskonzepte beschäftigen 10- bis 14-jährige Kinder intensiv. Sie nehmen sich den Vater als Vorbild, wenn er positives Verhalten zeigt, und kompensieren, wenn sich der Vater den Kindern gegenüber autoritär verhält.“
Väter von Mädchen und Väter von Jungen
Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass die Jugendlichen sich bei typischen Problemen eher der Mutter, als dem Vater anvertrauen. Allerdings hinge das auch vom jeweiligen Thema ab. Demnach sprechen Söhne beispielsweise über Fragen der Berufswahl etwas häufiger mit dem Vater, während Mädchen Themen, wie körperliche Veränderungen, lieber der Mutter anvertrauen. Ein weiteres interessantes Ergebnis der Studie ist auch, dass Väter von Mädchen besser darüber informiert sind, was ihre Kinder aktuell beschäftigt als Väter von Jungen. Außerdem würden Töchter etwas weniger bestraft und kontrolliert als Söhne.
In welchem Umfang die Jugendlichen überhaupt mit den Eltern reden würden, sei vom Erziehungsverhalten und vom Familienklima abhängig: „Die Auseinandersetzungen in der Pubertät gewinnen vor allem dann an Schärfe, wenn die Eltern ihre Kinder einschränken und kontrollieren, anstatt Streit im Gespräch zu lösen.“
Helga Wissing
Helga Wissing ist freie Journalistin und lebt mit ihren zwei Töchtern in einer Kleinstadt in Nordrhein Westfalen. Mit einer 16-Jährigen unter einem Dach weiß sie genau, wovon sie schreibt. Wechseljahre und Pubertät prallen aufeinander. Ihr Tipp: Ruhe bewahren und trotzdem lieb haben.
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